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1. Dezember 2022

Weihnachten ist auch ein Fest der Lücken - ein Text von Anke Keil

Weihnachten ist für Trauernde ein großes Thema – und da, lange bevor es da ist. Denn Weihnachten unterscheidet sich von den anderen, persönlichen erinnerungsschweren Tagen dadurch, dass es eigentlich nicht die Möglichkeit gibt, dem Thema auszuweichen. Denn es reicht schon, beim Bäcker ein Brot zu kaufen, in den Bus zu steigen, irgendwohin zu gehen – und das schon ab November. Und dann steht man vor einer ganzen Reihe an Fragen: Was brauche ich, damit ich diese Zeit meistern kann, was könnte passen? Was soll nicht sein? Mit wem kann ich gut feiern? Will ich überhaupt feiern? Wie gehe ich mit all dem „fröhliche Weihnachten“ um, mit Glitzer, Geschenken und Konsum? Wie geht eigentlich so ein Weihnachten „ohne dich“? 

 

Als mein Sohn noch jünger war, sagte er statt Weihnachten immer Weinernachten. Ich glaube, er hat uns mit diesem Wort einen Ausdruck geschenkt für unsere ambivalenten Gefühle mit Weihnachten. Weil dieses Fest eben so sehr die Lücken zeigt: Wer uns fehlt. Mit wem wir gerne gefeiert hätten. Denn dann steckt plötzlich selbst In den lustigsten Anekdoten von Weihnachtskatastrophen noch das Vermissen und der Vermissensschmerz drin. „Weinernachten“ macht diesen Schmerz nicht weg, ist kein Wort, dass wie von Zauberhand tröstet. Weil es das nicht gibt. Aber Weinernachten ist ein Erlaubniswort: Weihnachten hält auch weinen aus, Friedhofsgang und Feier, O du fröhliche und Innehalten. Und es klingt dabei auch noch schön.